Bundespräsident a.D. Joachim Gauck

Mirok Li Preis

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Bundespräsident a.D. Joachim Gauck hält eine Laudatio auf Hartmut Koschyk

©Deutsch-Koreanische Gesellschaft

Bundespräsident a.D. Joachim Gauck hält eine Laudatio auf Hartmut Koschyk in Berlin

Verleihung des Mirok Li Preises an Hartmut Koschyk

13. September 2023, Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!

Meine Aufgabe ist es heute Abend, über den Träger der diesjährigen Mirok Li Preises zu sprechen. Ich tue das besonders gerne und freue mich sehr über diesen Preis für Sie, lieber Herr Koschyk!


Die meisten von Ihnen werden mit der schönen Geschichte des Namensgebers des Preises vertraut sein: Mirok Li gilt als der „Münchner Koreaner“, der nach Flucht und Vertreibung aus seinem von Japan besetzten Land eine zweite Heimat in der Bayerischen Landeshauptstadt fand.


Mirok Li machte sich vor allem als Schriftsteller einen Namen. Gelegentlich wird er als „Thomas Mann Koreas“ bezeichnet. Seine Fähigkeit, kraftvolle Bilder durch einfache Sprache zu erschaffen, prägte seine Werke. Mirok Li wurde so zu einem einflussreichen Kulturmittler zwischen Deutschland und Korea.


Wie der Namensgeber des Preises hat sich auch Hartmut Koschyk über nationale Grenzen hinweg für Verständigung und Freundschaft eingesetzt. Auch er hat durch sein politisches Engagement und seine kulturellen Aktivitäten eine Brücke zwischen Deutschland und Korea geschlagen.


Lieber Herr Koschyk, das Preiskomitee befand, dass Sie sich „wie kaum ein Anderer in Deutschland um die Pflege, den Austausch und die nachhaltige Vertiefung der deutsch-koreanischen Beziehungen auf kulturellen und gesellschaftspolitischen Gebieten in herausragender Weise verdient gemacht“ haben. Und ich kann diese Begründung auch aus persönlicher Erfahrung nur unterstreichen. Denn wir sind uns in den letzten Jahren immer wieder, vor allem im Zeichen der deutsch-koreanischen Beziehungen, begegnet.
Es ist ein schönes Zeichen, dass die heutige Auszeichnung in das Jubiläumsjahr „140 Jahre Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Korea“ fällt, das unsere Länder mit zahlreichen Veranstaltungen begehen.
Ich bin Korea und dem Schicksal des geteilten Landes schon seit Langem verbunden und erinnere mich gut daran, dass ich 2011 – also bevor ich Bundespräsident wurde – zugesagt hatte, mich im Rahmen eines Gedankenaustauschs in einem deutsch-koreanischen Beratungsgremium einzubringen.


Dazu kam es nicht. Aber umso mehr habe ich mich gefreut, zur Feier von 130 Jahren „Beziehungen zwischen Deutschland und Korea“, vor zehn Jahren, als Bundespräsident die Festrede halten zu können. Der Festakt fand nicht weit von der einstigen innerdeutschen Grenze entfernt, in Goslar, statt. Und, lieber Herr Koschyk, wir standen dort gemeinsam auf der Bühne, als die deutsch-koreanische Gemeinschaftsbriefmarke vorgestellt wurde.


In Goslar habe ich damals bekannt, dass Korea mich bewegt, dass mir das Schicksal des immer noch geteilten Landes zu Herzen geht. Und das ist auch heute noch so: Wenn ich an die geteilte koreanische Halbinsel denke, dann denke ich unweigerlich an mein eigenes Leben in dem deutschen Staat, der sich vom anderen ideologisch abgrenzte, der seine Bürger durch Mauer und Minenfelder einsperrte und ihnen die Freiheit vorenthielt, so wie Nordkorea seinen Bürgern ihre Freiheit vorenthält.
Korea hat auch Sie bewegt, lieber Herr Koschyk. Und ich kann mir vorstellen, dass die Auszeichnung mit dem Mirok Li Preis Sie besonders freut, denn Sie leiteten die Deutsch-Koreanische Gesellschaft als Präsident über viele Jahre lang selbst. Sie kennen die Bedeutung des Preises, seine Stifter und die bisherigen Preisträger sehr gut.


Wenn wir uns Ihre Vita vor Augen führen, dann sehen wir ein Zoon politikon, einen ernsthaft und vielseitig engagierten Politiker, einen Brückenbauer und Mittler zwischen den Kulturen.

Bundespräsident a.D. Joachim Gauck bei der Verleihung des Mirok Li Preises an Hartmut Koschyk im Mendelsohn Haus

©Deutsch-Koreanische Gesellschaft

Verleihung des Mirok Li Preises an Hartmut Koschyk im Mendelsohn Haus

Hartmut Koschyk ist 1959 in Oberfranken (Forchheim) geboren, seine Familie stammt aus Oberschlesien. Seit 1978 ist er Mitglied der CSU. Er war Zeitsoldat der Bundeswehr und ist bis heute Reserveoffizier. In der alten Bundeshauptstadt Bonn studierte er Geschichte und Politische Wissenschaften und arbeitete daneben als wissenschaftlicher Mitarbeiter für den CDU-Abgeordneten Helmut Sauer.
Vor dem Hintergrund seiner eigenen Familiengeschichte engagiert er sich besonders für die Vertriebenen und war von 1987 bis 1991 Generalsekretär des Bundes der Vertriebenen. Nach seiner Wahl in den Deutschen Bundestag 1990 fungiert er über zehn Jahre als Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Vertriebene und Flüchtlinge“ der CDU/CSU-Fraktion. Die Aufarbeitung der SED-Diktatur im Zuge der Deutschen Einheit bildet einen weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit. Hartmut Koschyk war Sprecher von zwei Enquete-Kommissionen des Bundestages, einmal zur „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur“ und zur „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit“.


In den 27 Jahren als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Bayreuth im Deutschen Bundestag war Hartmut Koschyk auch Parlamentarischer Geschäftsführer seiner CSU-Landesgruppe und später - als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium der Finanzen - Teil der Bundesregierung.
Sie werden nun fragen: Wo bleiben die Bezüge zu Korea? Denn, lieber Herr Koschyk, während Ihrer politischen Karriere machten Sie sich auch in Korea einen Namen.


Ihre Befassung mit dem Weg von der deutschen Teilung zur deutschen Einheit in den erwähnten Enquetekommissionen des Bundestages führte Sie 1998 zur Beschäftigung mit dem anderen geteilten Land. Über lange Jahre waren Sie Vorsitzender der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag und Teil des koreanischen Beratergremiums zu außenpolitischen Aspekten der Wiedervereinigung. Aufgrund Ihrer zahlreichen Reisen nach Nord- wie Südkorea und Ihrer exzellenten Kontakte in beiden Ländern machten Sie sich als gefragter Koreafachmann einen Namen. Erst vor Kurzem gaben Sie den deutschen Ko-Vorsitz des Deutsch-Koreanischen Forums ab, das die Bundesregierung berät, und dessen Gründungsmitglied Sie waren. Zum Stand und den Perspektiven der Deutsch-koreanischen Beziehungen haben Sie drei Bücher herausgegeben.


Als leidenschaftlichen Kulturbotschafter und Koreafachmann habe ich Sie auf meinem Staatsbesuch in Südkorea im Oktober 2015 erleben können. Der Besuch stand im Zeichen von 25 Jahren Deutscher Einheit und 70 Jahren Teilung Koreas und Sie haben mich als Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Bundestages begleitet. In Seoul fand zu diesem Zeitpunkt auch eine Tagung des „Deutsch-Koreanischen Beratergremiums zu außenpolitischen Fragen der Wiedervereinigung“ statt, an der wir gemeinsam teilgenommen haben.
Mich hat der Besuch in Korea damals sehr beeindruckt und ich kann am heutigen Abend nicht ausschließen, dass ich dorthin noch einmal zurückkehre. Schließlich darf ich als Ehrenbürger von Seoul die U-Bahn kostenlos nutzen.


Neben politischen Gesprächen mit der damaligen Staatspräsidentin und einer Rede vor der südkoreanischen Nationalversammlung stand während des Staatsbesuchs auch eine Begegnung mit nordkoreanischen Flüchtlingen auf dem Programm. Die Fluchtgeschichten der jungen Menschen haben mich damals sehr bewegt und das Schicksal der unterdrückten und eingesperrten Koreaner bedrückt mich auch heute.
Lieber Herr Koschyk, Sie konnten Nordkorea immer wieder bereisen. Sie wissen, wie wenige andere aus erster Hand, was es bedeutet, dass die grausame Diktatur dort andauert. Wir werden die Berichte über die Menschenrechtsverletzungen, die humanitäre Krise im Land, über völkerrechtswidrige Raketentests und aggressives Gebahren des nordkoreanischen Diktators auch in Deutschland weiter ernst nehmen.
Gerade in diesen Tagen sehen wir genau hin, wenn wir Berichte über eine russisch-nordkoreanische Kooperation im Rüstungsbereich lesen. Es ist offensichtlich: Mit Waffen aus Nordkorea will Russland, wie bereits mit Waffen aus dem Iran, seinen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine noch verstärken.


Es ist daher umso ermutigender, dass das überfallene Opfer, unser europäischer Nachbar Ukraine, Südkorea an seiner Seite weiß! Gemeinsam mit Südkorea stehen wir an der Seite von Völkerrecht, Demokratie und Freiheit. Südkorea trägt die Sanktionspolitik gegen Russland mit, unterstützt den Wiederaufbau in der Ukraine, leistet humanitäre Hilfe und der koreanische Präsident kündigte unlängst an, in diesem Jahr „in großem Umfang militärische Hilfsgüter" bereitzustellen.
Es ist deutlich, dass Deutschland und Korea in ihrer Haltung gegenüber dem Aggressor eng verbunden sind. Denn die Beziehungen unserer Länder zeichnen sich durch eine auf Vertrauen basierende, umfassende Wertepartnerschaft aus. In dieser vom russischen Angriffskrieg geprägten Gegenwart wird der Begriff des Wertepartners, den wir schon so lange für Südkorea verwenden, noch lebendiger: Wir erkennen die Bedeutung des Völkerrechts und der auf Regeln basierenden Weltordnung für das friedliche Zusammenleben der Völkergemeinschaft und für ihre Volkswirtschaften an. Unsere Länder zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie globale Verantwortung übernehmen. Im Juni 2023 wurde Südkorea als nicht-ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (ab 2024) gewählt. Dies ist nach 1996 bis 1997 und 2013 bis 2014 bereits das dritte Mal.


Die Unterstützung Nordkoreas und der Volksrepublik China für Russland zeigt, dass es auf der koreanischen Halbinsel oder im Verhältnis von China und Taiwan, jederzeit auch in Ostasien zu sicherheitspolitischen Krisensituationen kommen kann. Es ist gut, dass Deutschland und Korea angesichts zunehmender Spannungen auf der koreanischen Halbinsel und einem aggressiveren Vorgehen Chinas im Indopazifik jüngst eine engere Zusammenarbeit vereinbart haben.
Lieber Herr Koschyk, es ist keine Überraschung: den deutsch-koreanischen Beziehungen, in die Sie sich so lange aktiv eingebracht haben – und denen Sie weiter eng verbunden sind – kommt weiterhin große, vielleicht sogar wachsende, Bedeutung zu. Dies gilt natürlich auch, weil unsere Volkswirtschaften als große Exportnationen und stark industrialisierte Länder mit hohem Energiebedarf mit Blick auf die Transformation unserer Wirtschaft vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Es geht ebenso um den Wissenschafts- und Kulturaustausch, um die Begegnung der in unseren beiden Ländern stark entwickelten Zivilgesellschaften. Und es geht um die demokratischen Grundwerte, die wir mit Südkorea teilen sowie - nicht zuletzt - um die emotionale Verbundenheit geteilter Nationen. Gemeinsam hoffen wir, dass die Teilung auch auf der koreanischen Halbinsel eines Tages friedlich überwunden werden kann.


Lieber Herr Koschyk, Sie haben durch Ihr langjähriges Engagement dafür gesorgt, dass sich die Zivilgesellschaften unserer Länder noch enger miteinander verbinden und dass die junge Generation diese Verbindungen weiterführt und vertieft. Auf Ihre Initiative hin hat der Deutsche Bundestag entsprechende Entschließungen gefasst. Das „Netzwerk Junge Generation Deutschland-Korea“ ist hier ein prominentes Beispiel, das inzwischen auch von der Bundesregierung gefördert wird.
Als Anerkennung für Ihr langjähriges, vielfältiges und nachhaltiges Engagement zur Pflege und für die Vertiefung der deutsch-koreanischen Beziehungen erhalten Sie nun den Mirok Li Preis 2023. Herzlichen Glückwunsch!