Bundespräsident a.D. Joachim Gauck

Hayek Preisverleihung

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Joachim Gauck im Kaisersaal des Historischen Kaufhauses in Freiburg

©Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung

Dankesworte im Kaisersaal des Historischen Kaufhauses in Freiburg

Verleihung des Internationalen Preises der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung

11. März 2018, Freiburg im Breisgau

Änderung vorbehalten.
Es gilt das gesprochene Wort

Haben Sie herzlichen Dank, lieber Herr Professor Köhler, für Ihre bewegenden und überaus freundlichen Worte und gemeinsam mit dem Kuratorium der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung für die Verleihung des Internationalen Preises. 

Und Ihnen, verehrte Frau Göbel, 

gratuliere ich ganz herzlich zur Verleihung des Publizistik-Preises der Stiftung. 

Nach Ihren Worten, Herr Köhler, verstehe ich nun auch ein wenig besser, warum die Stiftung mir den Preis zugedacht hat. Denn, wie Sie wissen, bin ich weder Wirtschafts- noch Rechtswissenschaftler oder gar Sozialphilosoph und auch biografisch verbindet mich auf den ersten Blick nicht viel mit dem Namensgeber dieser Stiftung. Was mich allerdings – auch ganz offensichtlich – mit Friedrich August von Hayek verbindet, ist die Ablehnung von jeder Form der Zentralverwaltungswirtschaft und das Werben für eine freiheitliche Gesellschaftsordnung. 

Was Hayek sich im Laufe seiner umfangreichen Studien angeeignet – und mit Erstaunen habe ich gelesen, dass er als junger Student zunächst durchaus Sympathie für die Ideen der Planwirtschaft hatte –, was Hayek sich also theoretisch erschlossen hat, habe ich als "Insasse der DDR" am eigenen Leib erfahren müssen. 

Noch in den finstersten Zeiten der totalitären Herrschaft auf dem europäischen Kontinent und des mörderischsten Krieges beschreibt Hayek in seinem 1944 erschienen Werk "The Road to Serfdom" eindrücklich und hellsichtig, warum Kollektivismus zur Einschränkung individueller Freiheitsrechte führen muss, warum staatssozialistische Systeme die Freiheit des Einzelnen beschneiden und dies zwangsläufig nicht mit Befreiung, sondern mit Knechtschaft der Bürgerinnen und Bürger endet. 

Als im Krieg geborener Mecklenburger hätte ich mir gewünscht, er hätte unrecht gehabt oder seine Theorien wären nie auf die Probe gestellt worden. Mit der Teilung Deutschlands infolge des Krieges und der Ansprüche des sowjetischen Imperiums wurde dann quasi unter Laborbedingungen belegt, wohin die Einschränkung der politischen Freiheit führt – aber auch die bewusste Demontage jedes bürgerschaftlichen Engagements in Gesellschaft und Wirtschaft. Noch heute empfinde ich großes Bedauern darüber, wenn ich mir vorstelle, wie es etwa um Sachsens Wirtschaft heute bestellt sein könnte, hätte es nicht die staatssozialistischen Zwänge und die Auslöschung des Mittelstandes gegeben. Ich bin mir sicher, der Unterschied zu Baden-Württemberg wäre nicht allzu groß. 

Der Weg, den die junge Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg beschritten hat, war keinesfalls vorherbestimmt, sondern von liberalen Geistern hier in Freiburg –  durchaus auch im Widerstreit zu mancher These Hayeks – entworfen worden. Ein liberales Wirtschaftssystem, das die Deutschen mit Marktwirtschaft und Wettbewerb nach Weimar und Kommandowirtschaft der Nazi-Zeit befreundet. Damit wurde ein neues Kapitel der Freiheitsgeschichte in Deutschland geschrieben. Denn Hayek hat zweifelsohne Recht, wenn er feststellt, dass die Freiheit in der Gesellschaft mit der Freiheit in der Wirtschaft untrennbar verbunden ist. Wir können aber auch festhalten: wenn wir uns heute in der Welt umschauen und uns mit anderen liberalen Wirtschafts-ordnungen vergleichen, dass es sich lohnt mit Hayek um das Adjektiv "sozial" zu ringen.

Vorausgesehen hat Hayek auch das nächste Kapitel in meinem Leben, welches zum Glück der Menschen im Osten Deutschlands und in ganz Mittel- und Osteuropa dann im Jahre 1989 Realität wurde: 

dass eine zentrale Wirtschaftsplanung langfristig zur Zerstörung von Wohlstand und Gerechtigkeit und damit zum Zusammenbruch des kommunistischen Systems führen muss. 

Ich füge hinzu: wenn sich die Bürgerinnen und Bürger von ihrem Dasein als Untertanen befreien, sich der Angst vor dem System und dann ihrer Unterdrücker entledigen.

Und auch für die Erfahrungen, die ich in der Zeit nach der Friedlichen Revolution machen sollte hat Hayek mit seinem Werk "Die Verfassung der Freiheit" die theoretische Blaupause verfasst. 

Denn nachdem die Bürgerinnen und Bürger das errungen hatten, wonach sie sich lange gesehnt haben, mussten viele feststellen, dass die Freiheit von etwas sich unterscheidet von der Freiheit zu bzw. für etwas. Die Freiheit eigenverantwortlich zu gestalten wurde dann für manche zur Last. Bei Hayek klingt das so: "Freiheit bedeutet nicht nur, dass der Mensch sowohl die Gelegenheit als auch die Last der Wahl hat; sie bedeutet auch, dass er die Folgen seines Handelns tragen muss und Lob und Tadel dafür erhalten wird."

In der Freiheit angekommen, heißt es dann, Ja zu sagen zu den vorfindlichen Möglichkeiten der Gestaltung und Mitgestaltung. Verantwortung für sich und andere zu übernehmen fällt nicht allen leicht. Allzu viele fanden in den Folgejahren die neu errungene Freiheit, den Wettbewerb dann eher unbequem. Und es ist ja auch anstrengend, sich permanent mit anderen messen zu müssen. Und wenn wir uns immer wieder neu behaupten müssen, dann können wir ja auch scheitern und wir werden auf einmal mit der Paradoxie der freiheitlichen Ordnung konfrontiert, dass die, die sich einst fürchteten, eingesperrt zu werden, sich jetzt vor ihr fürchten, sich auch fürchten, abgehängt zu werden, und dies zu großen Teilen sogar verständlicherweise. Hayek formuliert dies so: "Diese Leugnung der Verantwortlichkeit entspringt jedoch gewöhnlich einer Furcht vor der Verantwortung, einer Furcht, die notwendig auch zu einer Furcht vor der Freiheit führt!"

Wie mächtig die Furcht vor der Freiheit in einer Gesellschaft werden kann, erleben wir in diesen Tagen. Dann erscheinen populistische Verführungen noch verheißungsvoller, die da lauten: „Folge den einfachen Wahrheiten…. Es wird alles wie früher, so überschaubar und vertraut – du musst nicht länger selber Verantwortung tragen und Dein Leben nicht länger im gefahrvollen Freien fristen.“ 

Selbst in den Vereinigten Staaten hören wir dieser Tage solche Schalmeienklänge, die sich zum Beispiel gegen freien Handel richten – welch kurzsichtige Irreführung!

Und innerhalb der Europäischen Union müssen wir sogar erleben, dass gewählte Regierungen die sogenannte illiberale Demokratie propagieren und die Angst der Bürgerinnen und Bürger instrumentalisieren, um persönliche Freiheitsrechte zu beschneiden.

Die liberale Demokratie, wie sie sich als Modell des Westens entwickelt hat, wird derzeit von vielen Seiten bedroht. Und mit Hayek wissen wir, mit einer liberalen Ordnung sind nicht nur Wettbewerb und Marktwirtschaft gemeint, sondern auch die Herrschaft des Rechts, die Gewaltenteilung und die grundlegenden Freiheitsrechte aller Individuen. Der Liberalismus erscheint mir sogar wichtiger als die Demokratie. Demokratie schließt – wir erleben es gerade schmerzhaft – die Rückkehr zu Illiberalität nicht aus. Umgekehrt aber stützt eine liberale Ordnung die Demokratie.

In dieser Zeit erleben wir, dass Vieles, was uns gefestigt und gesichert erschien, unsicher geworden ist und neu begründet werden muss. Auch die wirtschaftliche, politische Freiheit und sogar Rechtsstaat und Demokratie. Hier, wo wir uns heute unter Freunden der Freiheit versammelt haben, dürfen wir ruhig schon einmal etwas kämpferisch sagen: Wir haben wichtige Güter zu verteidigen – und wir sollten uns nicht zu vornehm oder distanziert sein, das auch zu tun. Was hat die Gegenseite denn anzubieten außer Mogelpackungen und windigen Heilsversprechen? Begeben wir uns also in die Auseinandersetzungen mit den Gegnern der Freiheit. Suchen wir die Debatte, suchen wir auch den Konflikt auf den Feldern, die für uns nicht verhandelbar sind. Und bemühen wir uns, auch außerhalb unserer Zirkel verständlich und überzeugend zu reden und zu wirken. Bemühen wir uns dabei auch um Verbündete, die in manchen Fragen vielleicht anderer Meinung sind als wir, aber doch unsere Grundhaltung teilen – die der Überlegenheit von Sozialer Marktwirtschaft, von Rechtsstaat, von Freiheit. Dafür sollten wir Allianzen suchen mit all denen, die auch bei anderen Meinungen im Detail unsere demokratischen und freiheitlichen Werte teilen.  
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Dankbarkeit nehme ich den Internationalen Preis der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung und die damit einhergehenden Verpflichtung an: zu werben für das, was uns wichtig ist: Für die Freiheit zu Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft!